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Dale C. Copeland: The Origins of Major War

Nach der im Kapitel "Julikrise" verfolgten Argumentation ging Deutschland mit ei- ner Strategie der Lokalisierung in den zu erwartenden Krieg. Dem widerspricht Copeland, der in seinem Buch nach Ursachen diverser Kriege forscht. Nach sei- ner Argumentation betrieb Deutschland eine eigene Eskalationsstrategie. Richtig ist, dass Copeland durch seine Analyse Effekte erklären kann, etwa die verfrühte deutsche Kriegserklärung an Russland, die anderweitig nicht erklärbar sind.

 

Demnach hat Deutschland die Julikrise genutzt, um zu einem Präventivkrieg gegen Russland zu kommen. Alle anderen Überlegungen - das britische Intrigen- spiel, die französische Erbfeindschaft, sonstige geostrategische Überlegungen, die eigene materielle Unterlegenheit und die mangelnde Vorbereitung spielten  für die Entscheidungen der deutschen Führung im Endeffekt keine Rolle. Ausschlag- gebend war, dass man Russland zu unüberwindlicher Stärke anwachsen,  für den Augenblick aber zwar als kriegswillig, jedoch nicht als kriegsbereit ansah. Diese "Chance" sollte genutzt werden. Da man den Krieg ohnehin für unvermeidlich hielt, wollte man über den Zeitpunkt seines Ausbruchs selbst mit bestimmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um zum Krieg zu kommen, brauchte es zwei Voraussetzungen: zum einen muss- te eine politische Lösung verhindert, zum anderen sollte die Kriegsschuld auf den Gegner, auf  Russland, abgewälzt werden. Dass  durch das deutsche Vorgehen ein erheblicher Teil der Kriegsschuld auf Deutschland zurückfallen würde, ist dabei kein Widerspruch. Denn der deutschen Führung ging es nicht um ihre histo- rische Rolle. Die deutschen Kriegsschuldüberlegungen verfolgten eine andere Zielrichtung.

 

Einer hätte allerdings dieses intrigante Vorgehen durchkreuzen können: der wan- kel- und im Grunde gutmütige Kaiser. Auch durften nicht allzu viele Bedenken- träger eingeweiht werden, es musste ein internes "fait accompli" geschaffen wer- den. Copeland sieht eine Verschwörung des Reichskanzlers Bethmann Hollweg, des Generalstabschefs Moltke (was gar nicht zu deren sonstiger Beschreibung als Weicheier passt) und des Auswärtigen Amtes unter Minister Jagow gegen den Kaiser, die sonstige Militärführung und den Verbündeten Österreich-Ungarn. Vorwegnehmend sei hier entgegnet, dass der  Kaiser weder umgangen werden konnte, noch stellte er sich quer. Aber die  weitere Militärführung, der Flottenchef, der Kriegsminister und die Generalität, hatten vom eingetreten Kriegszustand tatsächlich keine Ahnung.

 

Mit welchen Methoden wollte man zum Kriegsausbruch kommen? Zum einen musste sichergestellt werden, dass Österreich-Ungarn nicht von der Stange ging, d.h. sich mit Russland ohne größeren Krieg einigte. Zum anderen mussten die Gegner zu militärischen Maßnahmen, insbesondere Russland zur Generalmobil- machung, gereizt werden.  Dann konnte man selbst zuschlagen. Mit einer Serie manipulierter Telegramme sollten diese Ziele erreicht werden.

 

Als Quellenbasis stützt sich Copeland zu einem großen Teil auf "Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch", eine Sammlung von Aktenstücken, haupt- sächlich Telegrammtexte bzw. deren Entwürfe, auch mit Streichungen und Anmerkungen (unter letzteren stechen besonders die Marginalien des Kaisers hervor), die vom deutschen Außenministerium im Zuge der Versailler Vertrags-verhandlungen  angelegt wurden. Sie stehen im Internet lesbar und  als PDFs herunterladbar zur Verfügung, was die Beurteilung von Copelands Argumen- tation ungemein erleichtert. Inwieweit ist diese für die deutsche Führung nach- vollziehbar? Und waren demnach für den Kriegsausbruch andere Faktoren entscheidend, als bisher in dieser Arbeit argumentiert? Man führe sich bitte zunächst vor Augen, dass die in dieser Arbeit vorgetragenen, von Historikern im Lauf von Jahrzehnten gesammelten Informationen der deutschen  Führung  nicht in allen Einzelheiten bekannt sein konnten (dem widerspricht nicht, dass teilweise ein sehr klares Bild vorlag). Auch konnte sie über die Handlungen und Absichten des Verbündeten Österreich-Ungarn nicht vollständig informiert sein.

 

 

 

 

Im Gegensatz zur Adriakrise Ende 1912, als der Krieg vermieden werden konnte, bestand im Juli 1914 deutscherseits  keine Hoffnung auf britische Neutralität. Wie bereits oben ausgeführt, sah man gleichzeitig  Russland zu unüberwindlicher Stär- ke anwachsen, seine momentane Kriegsbereitschaft aber nicht hergestellt. Deshalb, so meinte die Militärführung, sollte es Deutschland dieses Mal zum Krieg kommen lassen. Würde Serbien von Österreich-Ungarn angegriffen, könnte Russ- land nicht abseits stehen. Es müsste mobilisieren, und der Krieg wäre dann un- vermeidlich. Die Konsequenzen, der Weltkrieg und seine Folgen, waren Beth- mann Hollweg bewusst. Soviel zum Beginn der deutschen Überlegungen. Deutschland behauptete zwar, den Krieg lokalisieren zu wollen, aber das Ende der deutschen Überlegungen, nämlich seine Kriegserklärungen, zeigt, dass es genau das nicht tat.  Deutschland hatte also den Weltkrieg von Anfang an im Sinn, egal, welche Manipulationen der alliierten Mächte außerdem vorlagen.

 

 

 

Der angestrebte Präventivkrieg war aber einer Deutschlands,  nicht Österreich- Ungarns. Damit  aber überhaupt eine deutsche "Siegchance" bestand, war es entscheidend, dass Österreich-Ungarn mitmachte. So einfach vorausgesetzt werden konnte das nicht! Österreich-Ungarn hätte eine friedliche Lösung an- streben oder sich der Teilnahme am geplanten deutschen Westkrieg widersetzen können, wie er nach den Plänen Schlieffens und Moltkes vorgesehen war.

Deshalb musste es so arrangiert werden, dass es so aussah, als ob Deutschland sich auf die österreichisch-ungarische Seite schlagen würde und nicht umgekehrt.

War das nicht sowieso der Fall? Nimmt man das an, setzt man einen beding- ungslosen russischen Kriegskurs voraus. Aber darüber konnte man sich in Deutschland nicht wirklich sicher sein! Also musste man deutscherseits den Ein- druck erwecken, Russland wollte unbedingt Krieg. Das, meinte man, wäre insbesondere wegen des Eindrucks auf die eigene deutsche Bevölkerung, deren Zustimmung zum Krieg man benötigte, unumgänglich wichtig. Dass man bei einer friedlichen Lösung wenigstens noch hätte die Entente auseinandermanövrieren können, war nur die zweitbeste Lösung.

 

 

Dagegen, dass Österreich-Ungarn von der Stange geht, hat Deutschland ein Druckmittel: es könnte seine schützende Hand wegziehen. Also wird nach Wien kommuniziert, Deutschland würde eine Verhandlungslösung als Signal der Schwäche auffassen, und das hätte Rückwirkungen auf die Bündnissituation [Einschränkung s. rechts]. Konsequent antwortet der österreichisch-ungarische Außenminister Berchthold, das Ultimatum an Serbien wird unannehmbar aus- fallen.

 

Das von  Österreich-Ungarn deutscherseits verlangte schnelle Losschlagen  folgt dabei  genau der umgekehrten Logik als anderweitig gedacht.  Der "fait accompli" soll nicht verhindern, dass Russland reagieren kann bzw. die Sache bis dahin schon vom Tisch ist. Sondern es soll verhindert werden, dass Serbien, womöglich unter russisch-französischem Druck, eine zufriedenstellende Lösung anbietet. Schon merkwürdig,  wie man deutscherseits russische "Friedensliebe" meint fürchten zu müssen...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dennoch ist Copelands Schluss nicht zuzustimmen, dass Russland von Deutsch- land zur Mobilisierung provoziert wurde. Denn es gab seitens der Mittelmächte nur das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien, keine darüber hinaus gehenden deutschen Schritte! Provozieren ließen sich die Russen jedenfalls sehr bereitwillig. Und defensiv gegen Österreich-Ungarn konnte die russische Mobilmachung  nicht gemeint sein, sondern es war ein aggressiver Akt. Sasonows angebliche Auswegssuche ist unglaubwürdig,  seine Vermittlungsersuchen an Deutschland in Wirklichkeit Einmischungsversuche. Denn die Notwendigkeit einer Bestrafung Serbiens hatte er sogar zugegeben, allerdings sollte die ohne Verletzung der  serbischen Souveränität erfolgen! Das konnte natürlich nicht funktionieren, kam es beim österreichisch-ungarischen Vorgehen doch gerade auf diese Verletzung der serbischen Souveränität an. Von einer russischen "Kriegsverhinderungsstrategie", die nicht nur bremsende Schritte gegenüber Serbien, sondern auch gegenüber Frankreich und Großbritannien eingeschlossen hätte (in "Julikrise" ist das genaue Gegenteil ersichtlich), kann auch bei Copeland mitnichten die Rede sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ist sicher ein pikantes Detail, dass Bethmann Hollweg den Kaiser auf Nord- landreise belassen wollte, obwohl inzwischen Kriegsgefahr drohte und die briti- sche Flotte jederzeit hätte ausrücken und den Kaiser hätte abfangen können. Tatsächlich äußerte sich der Kaiser nach seiner Rückkehr in Form des berühmten "jeder Kriegsgrund entfallen!", womit er anscheinend Bethmann Hollwegs Kriegsplan zu durchkreuzen drohte. Richtig ist, dass das um 10 Uhr morgens am 28.07. geschah und Bethmann Hollweg die Übermittlung der kaiserlichen Äußerung nach Wien bis nach 10 Uhr abends verzögerte, sodass die Kriegs- erklärung an Belgrad bis dahin schon erfolgt sein musste. Dem Vorgang darf man aber nicht zuviel  Bedeutung aufladen. Denn in diesen Zusammenhang gehört auch der (mit Großbritannien abgestimmte) "Halt in Belgrad!"-Vorschlag des Kai- sers. Und dieser beinhaltet ja gerade eine Verletzung der serbischen Souveräni- tät, die von Russland, s.o., nicht geduldet werden kann, also keine Möglichkeit einer friedlichen Lösung darstellte.

 

 

 

 

Die Formel "Mobilisierung bedeutet Krieg" macht Bethmann Hollweg in der Folge sowohl zur Grundlage seiner Entscheidung als auch, so interpretiert es zumindest Copeland, zum Instrument der Manipulation seiner Gegner. Bis er damit allerdings Russland einen Strick drehen kann, braucht er noch etwas Zeit und muss so tun, als ob er verhandelt. Deshalb gibt er die britischen Vorschläge, mit Russland das Gespräch zu suchen, mit einigem verbalen Nachdruck an Wien weiter, wird  sich aber darum keinen Deut mehr scheren, sobald er hat,  was er will: nämlich die russissche Generalmobilmachung. Zwischenzeitlich gibt er an zwei verschiedenen Tagen kreuzweise unterschiedliche Drohungen an Russland und Frankreich he- raus. Am 29.07. droht er mit "Mobilisierung bedeutet Krieg" Russland, während er gegenüber Frankreich auf eine friedliche Lösung hofft. Am 31.07. ist diese Formel im deutschen Ultimatum an Russland seltsamerweise nicht mehr enthalten, wäh- rend nun damit gegenüber Frankreich  gedroht wird. Copeland interpretiert das folgendermaßen: je nachdem, ob die Formel enthalten ist, soll der Adressat ange- stachelt oder in Sicherheit gewiegt werden. Am 29.07. soll Russland seine Mobil- machung fortsetzen und Frankreich keinen Grund sehen, auf Russland mäßigend einzuwirken. Am 31.07. soll Russland die Chance einer friedlichen Lösung nicht wirklich ausschließen und "sorglos" mit der Mobilmachung fortfahren. Frankreich dagegen, das man ja als erstes anzugreifen plant, muss nun endlich mobilmach- en, damit man gegen es losschlagen kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ist durchaus möglich, dass  Bethmann Hollweg das beabsichtigt hat, und nicht zuletzt hat es ja auch funktioniert. Nur, dass der  Gegner von einer Drohung gera- de angestachelt wird und auch besonders dann nichts für den Frieden tut, wenn man ihn in Sicherheit wiegt,  sagt einiges über ihn aus. Und dass die unterschied- lichen Manipulationen im  Grunde auf dasselbe Ergebnis abzielen, ist keine ge- radlinige, sondern eine auffällig verquere Logik, so raffiniert sie erscheinen  mag. Notwendig waren diese deutschen Manipulationen jedenfalls nicht. Man meinte, sie unternehmen zu müssen, weil man nicht darüber informiert war  bzw. nicht daran glaubte, dass die anderen den Krieg ebenso wollten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In diesen Zusammenhang passen auch die Telegramme, die Bethmann Hollweg im Zuge der Ultimaten an die anderen europäischen Mächte versendet. Während die Version für Großbritannien wieder  vergleichsweise beruhigend abgefasst ist (eine Passage mit der Unvermeidlichkeit des Krieges wurde extra gestrichen), wird Italien zum Mitmachen aufgefordert. Österreich-Ungarn wird über das Ultima- tum überhaupt nicht informiert, sondern darüber, dass es innerhalb von 48 Stun- den zum Krieg kommen und seine aktive Teilnahme erwartet wird!

Wie interpretiert das jetzt Copeland? Folgendermaßen: Großbritannien soll solange wie möglich rausgehalten werden (so weit entspricht das der üblichen Auffassung) aber keinen Druck auf Russland ausüben, damit es nicht doch noch nachgibt! Österreich-Ungarn hätte das Ultimatum zu  einer Übereinkunft mit Russ- land bewegen können. Das sollte verhindert werden!

Der Plan, Italien mit in den Krieg zu ziehen, misslang. Denn der Dreibund ist defensiv verfasst, bei einem in Gang zu setzenden Präventivkrieg fehlt aber prinzipiell die vollendete fremde Angriffshandlung. Italien liegt richtig, eine Betei- ligung zu verweigern. Aber irgendwas musste man ja nach Rom schreiben.

 

 

 

Während sich Russland auf die Formel versteifte, seine Mobilmachung bedeute nichts, war die Nachricht von der russischen Generalmobilmachung für Deutsch- land das gefundene Fressen. Jetzt wurde jede Zurückhaltung abgelegt und Ös- terreich-Ungarn zur Einstellung der Verhandlungen aufgefordert. Denn bei "Mobi- lisierung bedeutet Krieg" handelte es sich offensichtlich um eine westeuropäische Formel,  die man der eigenen Bevölkerung als Quasi-Kriegserklärung des Geg- ners verkaufen konnte. Damit war Bethmann Hollwegs Kalkulation aufgegangen: die Kriegsschuld auf Russland abzuladen. Nicht auf die spätere historische Betrachtung zielte er damit ab, sondern auf den Augenblick, in dem er die Zustimmung der eigenen Bevölkerung brauchte. Und auch damit hatte er Erfolg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Telegramm, mit dem Botschafter Pourtalès die  Übergabe der Kriegs-erklärung an Sasonow befohlen wurde, ging jedenfalls bereits am 01.08. um  12:52 Uhr ab. Copeland suggeriert, dass der Kaiser und die Militärführung außer Moltke von der Kriegserklärung an Russland nichts wussten. Die Übergabe war zur selben Zeit, als der Kaiser die Mobilmachung unterzeichnete: 17 Uhr MEZ gleich 19 Uhr St. Petersburger Zeit. Das britische Scheinangebot ("Lichnowsky-Telegramm") wurde erst verlesen, als die Militärs die Zusammenkunft der Führung zum Beschluss der Mobilmachung verlassen hatten, um die Mobilmachungsorder zu verbreiten. Von der fast zeitgleich erfolgenden französischen Mobilmachung nahm Bethmann Hollweg erst spätabends Kenntnis (s.u. rechts). Er hat sie zur Kriegserklärung an Russland nicht abgewartet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über die Haltung Österreich-Ungarns hätte man sich deutscherseits keine Sorgen zu machen brauchen. Widerstand gab es höchstens etwas Hinhaltenden des un- garischen Ministerpräsidenten Tisza zur Formulierung des Ultimatums an Serbien. Ansonsten zeigte sich Österreich-Ungarn gegenüber Russland kriegsbereit, nur über die deutsche Haltung war man sich in Wien und Budapest nicht recht im Klaren. Moltke äußerte, die österreichisch-ungarische Generalmobilmachung wür- de für Deutschland den  Bündnisfall nach sich ziehen. Österreich-Ungarn ist amused. Kaiser Franz Joseph sagt zu, seine Truppen gegen Russland zu konzen- trieren. Nachdem aber keine russische Kriegserklärung an Österreich-Ungarn kam, musste man aus Wien noch am 03.08. erst in Berlin nachfragen, ob  der Bündnisfall überhaupt eingetreten sei.

 

Nun musste, nach der Logik Schlieffens und Moltkes, im Westen deutscherseits zum Angriff geschritten werden. Die deutsche Kriegserklärung an Russland löste  für Frankreich den Bündnisfall aus. Außer seiner Mobilmachung unternahm Frankreich aber nichts. Mit der deutschen Kriegserklärung an Frankreich wurde deshalb so lange gewartet, weil man einen französischen Angriff erhoffte. Als der nicht kam, wurde der eigene Angriff mit Tatarenmeldungen über französische Grenzverletzungen begründet.

 

 

 

 

Nicht richtig ist Copelands These, der deutsche Aufmarsch- und Angriffsplan, egal ob nach Schlieffen, Moltke oder beiden benannt, hätte österreichisch-ungarische Rückendeckung erfordert. Die auch in Wikipedia (Schlacht in Galizien) behaup- teten Absprachen lassen sich nicht nachweisen. Es gab solche, aber nicht zugunsten, sondern zulasten der deutschen Westkriegführung. Noch am 31.07. ist der österreichisch-ungarische Generalstabschef Conrad von Hötzendorf über die deutschen Pläne im Unklaren. Erst am nächsten Tag sagt ihm Moltke über das in seinen Worten unannehmbare deutsche Ultimatum Bescheid.  Richtig ist aller- dings, dass Deutschland im Geheimen längst mobilgemacht hat, sonst wäre nicht schon am 04.08. ein ausgewachsener Angriff gegen Belgien möglich gewesen.

 

 

Was ist nun von Copelands Argumentation insgesamt zu halten, außer dass sie die deutsche Vorgehensweise nachvollziehbar darstellt? Es gab deutsche  Mani- pulationshandlungen gegenüber Österreich-Ungarn. Diese waren aber nicht not- wendig, Österreich-Ungarn kooperierte aus eigenem Antrieb. Es gab deutsche Manipulationshandlungen gegenüber den Alliierten. Diese waren aber nicht not- wendig, nach einem österreichisch-ungarischen Einmarsch in Belgrad hätten die Alliierten auch ohne deutsche Kriegserklärungen angreifen müssen, sonst hätten sie ihr Gesicht verloren und ihr "Bündnis" und ihre ganzen bisherigen Kriegs- anstrengungen entwertet. Bleibt als Letztes die Erklärung der Kriegserklärungen. Die Kriegserklärungen als solche und der darauf basierende deutsche Kriegs- schuldanteil standen aber von vornherein außer Frage.

Man sieht hier nur, dass deutscherseits nicht "kopflos", sondern überlegt gehan- delt wurde. Nur stellt sich weiterhin die Frage, ob diese Vorgehensweise be- sonders klug war. Wie der Krieg zeigte, und deutscherseits hätte man das wissen können, waren die Russen besiegbar (s.o. zur selbst so eingeschätzten mangeln- den russischen Kriegsbereitschaft), man hätte also einen russischen Angriff ohne weiteres abwarten können. Auch bei einer (wenige Jahre später zu erwartenden) noch größeren zahlenmäßigen Überlegenheit hätten die inneren Widersprüche und Friktionen des schwerfälligen zaristischen Systems einen russischen Waffen- erfolg vereitelt. So gesehen landen wir in dieser Frage doch wieder bei der mangelnden deutschen Ratio.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oder muss man es nicht letzten Endes sogar so sehen, dass Deutschland die beiden Weltkriege, von der  wesentlichen deutschen Motivation her, sie zu begin- nen, sogar gewonnen hat? Copeland schreibt Adolf Hitler einen ähnlichen Beweg- grund zu wie Theobald von Bethmann Hollweg, nämlich die Furcht vor Russland. Schließlich blieb nach dem Ersten Weltkrieg Deutschland ein Leben in russischer Knechtschaft erspart, und in der Folge des Zweiten  Weltkriegs  musste wen- igstens der größere Teil Deutschlands nicht unter dem sowjetischen Joch existie- ren!

Dale C. Copeland, The Origins of Major War, Cornell University Press, Ithaca (N.Y.) und Lon- don, 2000. Copelands Spektrum reicht vom Pe- loponnesischen bis zum Kalten Krieg. Mit der Julikrise und dem Ausbruch des Ersten Welt- kriegs befasst er sich auf den Seiten 79 - 117.

 

 

Präventivkriegsbehauptung S. 82, von Beth- mann Hollweg nach seiner Entlassung als Reichskanzler bestätigt (siehe etwa http://www.deutschlandfunk.de/verdeckter-angriffskrieg.1310.de.html?dram:article_id=194117, vermutlich ursprünglich bei Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht).

Die These von der Unausweichlichkeit des Krie- ges ist für Bethmann Hollweg bereits im Januar 1914 anlässlich eines Besuchs des russischen Ministerpräsidenten (nicht nur Finanzministers, wie Copeland schreibt) W. N. (nicht K. N., wie Copeland schreibt) Kokowzow und seines Au- ßenministers Sasonow in Berlin dokumentiert (S. 84). An den deutschen Botschafter in Groß- britannien Lichnowsky schreibt er im Juni, dass auch gemäßigte Politiker über die anwachsen- de russische Stärke besorgt seien (ds.). Beth- mann Hollwegs Einschätzung der alsbaldigen Unüberwindlichkeit Russlands hält auch sein Berater Riezler fest (S. 83). Das wiederholt der deutsche Außenminister Jagow gegenüber Lich-

nowsky (18.07., S. 90). Aber momentan hält er Russland nicht zum Zuschlagen fähig. Die Su- chomlinow-Äußerungen zur russischen Kriegs- bereitschaft (und entsprechenden Forderungen an Frankreich), s. Kapitel "Julikrise",  waren be- kannt (Dokument DD 1, s.u.). Aus diesen Grün- den wollte es die deutsche Militärführung zum Krieg kommen lassen (so berichtete es der sächsische Gesandte in Berlin (im wilhelmi- nischen Kaiserreich gab es noch immer diplo- matische Beziehungen wie vor seiner Grün- dung) S. 83). Unzumutbarkeit, dem Gegner den Zeitpunkt des Angriffs zu überlassen laut Jagow in Dokument DD 608 (s.u.).

Moltke, von dem der Kaiser im Zuge der Falsch- meldung des "Lichnowsky-Telegramms" die Änderung der Truppenaufstellung nach Osten verlangt hat (s.u. und "Julikrise"), kriegt Frack- sausen auch deshalb, weil es vielleicht gar nicht zum Krieg kommt: "Jetzt fehlte nur noch, das auch Rußland abschnappt", S. 110.

 

Tenor von Copelands Überlegungen, insbes.

S. 85.

Von einer Reflexion der deutschen historischen Rolle, wie sie nach dem Krieg aufkam, ist inner- halb der deutschen Dokumente, s.u., nirgends etwas zu bemerken. Ebenso ist von Nervosität angesichts der drohenden Kriegsgefahr nichts zu spüren (bestes Beispiel ist DD 323, s.a.u.).

 

 

 

 

 

Konspirationsargument Copelands S. 114.  Seine persönliche Kriegsschuld hat Moltke zugegeben (ds.).

 

 

 

 

S.u. die Eintragungen im Zuge der deutschen Kriegserklärung an Russland (S. 109f, 112f).

 

 

 

Vorweggenommene Zusammenfassung der folgenden Argumentation.

 

 

 

 

 

Die deutschen Dokumente zum Kriegsaus- bruch. Vollständige Sammlung der von Karl Kautsky zusammengestellten amtlichen Akten- stücke mit einigen Ergänzungen im Auftrage des Auswärtigen Amtes nach gemeinsamer Durch- sicht mit Karl Kautsky hrsg. von Max Graf Mont- gelas und Walter Schücking, Deutsche Verlags- gesellschaft für Politik und Geschichte mbH, Berlin-Charlottenburg 1919.

Im Internet: https://archive.org/details/diedeutschendoku01germ.

Der zugehörige 5. Band enthält einen Kommen- tar und von Graf Montgelas verfasste Glossen. Diese Texte stellen den Kenntnisstand des Jah- res 1919 dar, ausländische, insbesondere briti- sche Dokumente, die spätere Historiker verwen-

deten, waren damals noch unter Verschluss. Ein Vergleich dieses 5. Bandes mit der hier vorlie- genden Arbeit wird empfohlen.

Einzelne Dokumente der Sammlung sind num- meriert und vorstehend mit "DD" gekennzeich- net.

 

Adriakrise s. "Systematische Krisen", Hauptteil.

 

Bereits 05.06. 1914 entspr. Äußerung Bethmann

Hollwegs, S. 84f.

 

 

S. o. (Anmerkungsteil).

Schon im Februar 1913 derartige Überlegung Bethmann Hollwegs, aus dem Auswärtigen Amt zur Julikrise wiederholt (S. 82f).

Weltkriegsgefahr (lt. den Riezler-Tagebüchern) S. 83, die Folgen, Stürze von Monarchen und Machtgewinn der Sozialdemokratie (nach Fritz Fischer zitiert) S. 84.

Der abrupte Abbruch der deutschen diplomati- schen Aktivitäten zur Begrenzung des Krieges ab Eintritt eines bestimmten Ereignisses (s.u.) rechtfertigt diese Schlussfolgerung.

 

Eigene, ausführlichere Fassung von Copelands Argumentation, wie ich sie verstehe, basierend auf dessen S. 85 (er wieder stützt sich auf den Eintrag Riezlers vom 08.07., der leicht aufzufin- den ist: "Kommt der Krieg aus dem Osten, so daß wir also für Österreich-Ungarn und nicht Österreich-Ungarn für uns zu Felde zieht, so haben wir Aussicht, ihn zu gewinnen.").

 

 

 

 

 

 

S. 94, gestützt auf Dokument DD 323 (s.a.u.).

S. 85, hierzu der zum obigen folgende Satz aus Riezler: "Kommt der Krieg nicht, will der Zar nicht oder rät das bestürzte Frankreich zum Frieden, so haben wir doch noch Aussicht, die Entente über diese Aktion auseinander zu man- övrieren."

 

Hierzu S. 86. Copeland führt für diese Behaup- tung aber nur österreichische Quellen an (Kai- ser und Ministerpräsident). Womöglich hat man dort die deutsche Haltung so aufgefasst. Anhang IX zu den Deutschen Dokumenten verneint deutschen diplomatischen Druck. Noch am 17.07. sind Jagow die Ziele Österreich-Ungars unklar (DD 61). "Antwort" Berchtholds DD 19.

 

 

S. 87f.

 

 

Hierzu passende Äußerung des bayerischen Geschäftsträgers Schoen in Berlin nach Rück- spache mit dem Diplomaten Zimmermann

(Anhang IV Nr. 2 zu den Deutschen Dokumen- ten, Formulierung gedruckte S. 127: "Man hätte

es daher hier auch lieber gesehen, wenn mit der Aktion gegen Serbien nicht so lange gewartet und der serbischen Regierung nicht die Zeit gelassen würde, etwa unter russisch-französi- schem Druck von sich aus eine Genugtuung anzubieten"). Hintergrund ist die Furcht vor dem Zerfall Österreich-Ungarns, das sich durch ein "starkes und erfolgreiches Einschreiten" gegen Serbien wieder Respekt verschaffen könnte (ds.).

 

 

 

 

Erste Maßnahmen zur russischen Mobilisierung bereits am 24.07. (S. 87), also noch vor der ser-

bischen Antwort.

Entsprechende Telegramme aus St. Petersburg:

S. 95 (DD 238): „Auswegssuche“ Sasonows ist der persönliche Eindruck des deutschen Bot- schafters Pourtalès (26.07.).

Ds., (DD 338): Pourtalès lehnt die russischen Einmischungsversuche mit dem Lokalisierungs-

argument ab (29.07.).

S. 97 (DD 365): "Strohhalm-Telegramm". Pour- talès weist darauf hin, dass die Mobilmach-

ung ein schwerer Fehler ist (29.07., abends).

S. 94 (DD 282, 323): Sasonow hat die Notwen- digkeit einer Bestrafung Serbiens eingeräumt

(28.07).

Niemand braucht ernsthaft von der Möglichkeit auszugehen, Russland hätte es bei der Mobil- machung belassen, wäre Österreich-Ungarn in Belgrad eingerückt. Copeland konzentriert sich in seiner Betrachtung auf die deutsche Seite.

Die anderweitigen Manipulationen Sasonows, in Zusammenarbeit mit Grey (s. "Julikrise", Wei- terführende Literatur "Wormer"), die uns hier be- kannt sind, bleiben außerhalb von Copelands Focus.

 

S. 93. Das entsprechende Telegramm Beth- mann Hollwegs (DD 182) verziert der Kaiser mit wütenden Marginalien. In DD 231 kündigt er sei- ne Heimkehr und die seiner "in norwegischen

Häfen weit verstreuten Flotte" an.

Ds., Telegramm des Kaisers an Jagow mit "ent- fällt jeder Grund zum Kriege", aber auch, "..., daß Österreich ein Faustpfand (Belgrad) für die Erzwingung und Durchführung der Versprech- ungen besetze...".

Die Meldung des deutschen Botschafters in Wien über die Kriegserklärung an Serbien geht um 18:39 Uhr ein (DD 311). Telegramm Beth- mann Hollwegs nach Wien: DD 323. Es enthält Sasonows Einräumung der Bestrafung Serbi- ens. Die Einschränkung "...unter Schonung seiner Souveränitätsrechte..." (DD 282) fehlt. Stattdessen wird einerseits suggeriert, dass Russland sich mit einem "Halt in Belgrad" wohl abfinden würde, andererseits der Weltkrieg kei- neswegs ausgeschlossen ist.

 

 

 

 

 

 

Weitergegebene britische Vorschläge S. 100f,

(DD 395, 396), S. 105 (DD 441). Die deutsche Kriegserklärung an Russland machte die briti- sche Vermittlung wirkungslos, deshalb erübrigt sich ein Eingehen auf Inhalt und Ablauf.

 

S. 95 zum 29.07: DD 342 an Russland, nach- dem bereits am 26.07. diese Formel an Russ- land gedrahtet wurde (S. 91, DD 219). Cope- lands Annahme, Deutschland hätte mit letzte- rem Telegramm Russland zur Mobilmachung

provozieren wollen, ohne es wirklich abzuschre-

cken, weil es suggeriert, eine abwartende Hal- tung Russlands in Form einer  russischen

Teilmobilmachung täuschenderweise zu akzep- tieren, geht zu weit. Denn:

a) enthält dieses Telegramm mit der Formel ei- ne eindeutige Kriegswarnung

b) war nicht die russische Teilmobilmachung Anlass der deutschen Kriegserklärung.

Auf den Umfang der Mobilmachung nimmt der Kaiser in seinem Telegramm an den Zaren (30. 07., DD 420), das er auf Bethmann Hollwegs Geheiß (DD 408, unter Verweis auf die besonde-

historische Bedeutung) gesandt hatte, keinen Bezug. Für Wilhelm lastet die Verantwortung für die weitere Entwicklung ausschließlich auf den [schmalen] Schultern des Zaren (S. 102f).

Wie o. S. 95 zum 29.07.: DD 341 an Frankreich.

S. 104/106 zum 31.07.: Das deutsche Ultima- tum an Russland enthält tatsächlich die Formel nicht (DD 490, Fehler bei Wikipedia zur Chro- nologie der Julikrise). In der Neutralitätsanfrage an Frankreich (DD 491) dagegen ist sie enthal- ten.

 

 

 

 

 

 

Zu logischen Überlegungen: 26.07., mit Formel, soll Russland angeblich mobilisieren. 31.07., ohne Formel, soll Russland angeblich weiter mobilisieren.

Bethmann Hollwegs Erfolg reicht nach Copeland

so weit, dass noch 80 Jahre nach dem Krieg niemand seine Manipulationen durchschaut hat (bis Copeland kam, S. 90). Ds. u. f.:

Dass Russland keinen Krieg wolle, sondern von Österreich-Ungarn dazu "gezwungen" wäre, war

auch Bethmann Hollwegs persönliche Meinung (DD 456). An Lichnowsky schrieb er, Russland plane keinen baldigen Krieg (DD 72, das Doku- ment enthält sowohl Lokalisierungs- als auch Präventivthesen). In seinen Marginalien zu DD 445 gesteht der Kaiser Russland zu, keine ag- gressiven Absichten zu hegen. Na, wenn die

gewusst hätten...(s.o. "anderweitige Manipulatio-

nen").

 

Es gab kein Ultimatum an Frankreich, die Neu-

tralitätsanfrage (DD 491) ist keines, entfaltete

aber die passende Wirkung.

S. 107, DD 488 zu Großbritannien, zu Italien s.u..

Zu Österreich-Ungarn S. 108, DD 479.

 

 

Die Rolle Großbritanniens als eigentlicher Kriegsauslöser war bekannt, insbesondere

dem Kaiser. Siehe seine Marginalien zu den Dokumenten DD 368, 401, 402, die in den bei- den letzteren Fällen den Charakter von Analy- sen annehmen.

Italien sollte zunächst rausgehalten werden. In- wieweit die Aussicht auf eine italienische Kriegs-

teilnahme auf Seiten der Mittelmächte Russland

hätte "negativ" beeinflussen können (S. 87 (Riezler), DD 46 (Jagow)), ist schwer nachvoll- ziehbar. In der Folge war Italien trotz intensiver Kommunikation (DD 675, 745, 755, 756, 827, 850) nicht zum Kriegseintritt zu bewegen.

 

Die russische Formel, Mobilmachung bedeute noch lange keinen Krieg (so Sasonow zu Pour- talès, DD 365) wurde deutscherseits intern geteilt (Sitzung des preußischen Ministerrats, DD 456). Vor und im Zuge des Ultimatums ent- spann sich ein Telegramm-Pingpong zwischen Kaiser und Zar (DD 480, 487, 546, 600), worin der Zar auch die technische Unmöglichkeit der Rücknahme der Mobilisierung geltend macht (DD 487, so auch Sasonow in DD 536, der Antwort auf das deutsche Ultimatum, zuvor in DD 343). Diese technische Unmöglichkeit hätte man deutscherseits zugestehen können (s. Kommentar S. 29). Die "Russische Mobilisation bedeute aber noch keineswegs wie in Westeu-

ropa Krieg" drahtet Bethmann Hollweg nach Wien (DD 385, im Original nicht kursiv). Als die Nachricht von der russischen Generalmobilma- chung eingeht (S. 105, DD 473, mit eingefädelt vom "auswegsuchenden" Außenminister Saso- now, S. 103, DD 445), weiß sich Bethmann Hollweg am Ziel (DD 696: "Empörung unserer

öffentlichen Meinung über russische Mobilma- chung so groß, daß Ablehnung der geforderten Demobilisierung als feindlicher, Kriegszustand

begründender Akt konstatiert werden mußte, ..."). Nachdem es damit nach westeuropäischer Lesart möglich war, "Rußland die Schuld an der ausbrechenden europäischen Konflagration [Großbrand] zuzuschieben" (DD 441), wurde die in diesem Dokument enthaltene Verhandlungs-aufforderung an Österreich-Ungarn zurückge- nommen (DD 464, mit der falschen Begründung eines Briefs König Georgs V. (DD 452), das Te- legramm mit der zutreffenden Begründung (DD 451), aufgrund der russischen Mobilmachung eine schnelle Entscheidung zu suchen, wurde nicht abgesandt (S. 105)).

Im Kriegsministerium herrschte Freude über die Bestätigung der russischen Generalmobilma- chung (ds.). Admiral von Müller zeigt sich erfreut

über die von der Führung brilliant erzeugte Kriegsbegeisterung (S. 116).

 

S. 111, DD 542. Überraschend kann die Kriegs- erklärung nicht gekommen sein, selbst wenn das offensichtlich von deutscher Seite so beab- sichtigt war, um die noch vorhandene Möglich- keit einer friedlichen Lösung zu vereiteln (S. 109). Auf eher privater Basis hat Pourtalès erklärt, man wäre "nur noch um Fingerbreite vom Kriege entfernt" (DD 539), nach Anhang VI hat er das Sasonow mündlich vorgetragen. Im o. a. Telegrammgeplänkel beschwört der Zar den Kaiser, die russische Formel (s.o.) zu akzeptie- ren, während der Kaiser sich darauf versteift, die Rücknahme der russischen militärischen Vorbe- reitungen zu fordern. Mit den Kriegserklärungen war der Kaiser einverstanden (DD 503, 540a). Die Glossen räumen (ich wiederhole, im Zuge von "Versailles"!) die deutsche Kriegsschuld ein (S. 32).

Wozu die Kriegserklärung vor der weiteren Mili- tärführung verheimlicht wurde (S. 109f), er- schließt sich nicht, nachdem sie über die rus- sische Generalmobilmachung erfreut waren (s.o. S. 105). Auch Flottenchef Tirpitz und Kriegsminister Falkenhayn wussten in den frü- hen Morgenstunden des 02.08. nichts von der Kriegserklärung. Falkenhayn nahm sich sogar Jagow vor, um die "idiotische und vorzeitige Kriegserklärung an Russland zu verhindern". Jagow erkärte daraufhin, es wäre zu spät (S. 112f).

 

 

S.a.o. S. 108.

 

Zu Tisza DD19 (s.a.o. S. 86).

 

DD 352.

 

S. 105. Moltkes "promise Vienna had been an- xious to hear."

DD 601.

 

DD 772.

 

 

 

Diskussion des Schlieffen-Moltke-Plans siehe 2. Kapitel Teil 2.

Kenntnisnahme der französischen Mobilma- chung durch Bethmann Hollweg DD 605 (01.08. 23:30 Uhr). "Hoffnung" Bethmann Hollwegs auf einen französischen Angriff DD 629. Als der

nicht erfolgt, deutsche Kriegserklärung an Frankreich mit dem (z.T. sicher falschen ) Argu- ment von Grenzverletzungen (DD 734, 734b). Zutreffend dagegen war die Motivation, einen französischen Angriff nicht [länger] abwarten zu können (nicht abgesandter Entwurf der Kriegs-erklärung DD 608), S. 115f.

 

S. 109.

 

 

Hierzu Neitzel, Blut und Eisen, Literaturangabe 2. Teil 1. Kapitel, S. 47f.

 

S. 113f.

 

S. 87 Geheime Mobilmachungsvorbereitungen in Deutschland ab 06.07.. Mobilisierung der Flot-

te zum selben Datum.

 

 

 

 

 

 

 

DD 390: Bei der Behauptung des Zaren, die russische Mobilmachung erfolge defensiv ge- gen Österreich-Ungarn, lachen die Hühner. In meiner Formulierung "Der Zar ist jetzt entweder als Lügner anzusehen, oder er hat seinen Laden

nicht im Griff" in "Julikrise" (30.07.) ist das "oder"

durch ein "und" zu ersetzen. Siehe auch die passenden Marginalien des Kaisers auf diesem Dokument.

Aufgreifen des Irrationalitätsarguments durch den Kommentar (S. 74) und die Glossen (S. 32) zu den Deutschen Dokumenten.

 

Siehe hierzu Teil 2 [zum Zeitpunkt der Nieder- schrift fehlte dort noch entspr. Kapitel 3].

Das Argument des Kommentars (S. 90), die deutsche Kriegserklärung erfolgte wegen der Unterlegenheit an Zahl, aber Überlegenheit an Beweglichkeit, geht infolge der unzulänglichen Schlieffen-Moltke-Logik fehl, so viel zum Militä- rischen. Völkerrechtlich hätte man nur einen weiteren Tag zu warten brauchen. Die Kombi- nation von russisch-französischem Angriffs- bündnis und Mobilmachungen hätte einen per- fekten Kriegsgrund abgegeben (der im Übrigen bestand, ohne dass man deutscherseits davon Kenntnis hatte, s.o. zu DD 605). Darauf hat man

sich nach meiner Information aber nie berufen.

Ob die eigene Bevölkerung überhaupt so unbe- dingt, und mit der o.a. Methode, zur Kriegsbegei- sterung motiviert werden musste, ist auch zu bezweifeln, war es doch in der Vergangenheit immer das Volk, das drängte, und die Regier- ung, die bremste (auf die lange bestehende martialische Stimmung in Deutschland wird, mangels kriegsauslösender Wirkung, in dieser Arbeit nicht eingegangen). Der Kanzler brachte persönlich die Sozialdemokraten auf seine Seite

(S. 87, 102).

 

 

 

S. 119: "...this chapter shows that fear of the rise of Russia was a primary and probably dominant force pushing Hitler and his generals to war." Diese These wird an geeigneter Stelle diskutiert werden.

Bei aller kritischen Betrachtung hat Copeland Verständnis für die deutsche Vorgehensweise!

(S. 117).